Wie eine Mühle die Schöpfung bewahrt

Wirtschaft

Thomas Rolle hat die Rolle-Mühle im erzgebirgischen Waldkirchen zu einem Vorzeige-Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit gemacht. Deshalb wurde er für den sächsischen Unternehmerpreis nominiert.

Waldkirchen. Gerade ist ein großer Auftrag hereingekommen. Ein Kunde aus Südkorea hat zwei Container voll Bio-Mehl bestellt. Der Kontakt ist auf der Biofachmesse in Nürnberg entstanden. "Ein schönes Zusatzgeschäft", sagt Thomas Rolle, Geschäftsführer der C.F. Rolle GmbH in Waldkirchen, einem Ortsteil von Grünhainichen. Sonst liefert die Mühle vor allem an Kunden in Sachsen, Thüringen und Berlin. Der promovierte Lebensmitteltechnologe hat in den vergangenen Jahren die Rolle-Mühle fit gemacht für die nächste Generation. 

"Das war noch einmal eine Herausforderung am Ende meiner Karriere. Wir haben 2020 das Herz unserer Mühle erneuert", erzählt der 66-jährige Müller. Rund 1,5 Millionen Euro wurden in die Mühlentechnik wie Walzenstühle, Siebmaschinen und die Pneumatik investiert. Für den Mühlenbetrieb mit einem Jahresumsatz von rund sechs Millionen Euro sei das nicht leicht zu stemmen gewesen, meint Mühlenchef Rolle. Doch jetzt sei die Basis geschaffen, dass seine Tochter Anne (40) und sein Sohn Frank (36) das Geschäft übernehmen könnten. "Ich werde mich dann schrittweise zurückziehen", erklärt der Mühlen-Unternehmer seine Nachfolgestrategie.

Die Familientradition der Rolle-Mühle wird so fortgesetzt. 1856 hatte der Bäckermeister Carl Friedrich Rolle die schon 1563 erstmals erwähnte Mühle gekauft und die Firma C.F. Rolle gegründet. 1972 wurde der Mühlenbetrieb in der DDR verstaatlicht. Der damalige Inhaber Hans Rolle, Vater von Thomas Rolle, blieb Betriebsleiter und nutzte nach der Wende die Chance zur Reprivatisierung. Als eines der ersten Unternehmen im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde die Rolle-Mühle am 1. Mai 1990 wieder zum Familienbetrieb. "Das war ein mutiger Schritt, denn es wusste noch keiner, wo es hingeht", sagt Thomas Rolle.

Schnell wurde allerdings deutlich, dass der kleine Betrieb mit heute 20 Vollzeitbeschäftigten und einem Auszubildenden nicht gegen die großen industriellen Mühlenunternehmen ankam. "Uns war klar, dass wir die Nischen besetzen müssen. Das 08/15-Mehl können die großen Mühlen preiswerter", erzählt der Mühlen-Chef. Die Rolle-Mühle produziert rund 50 Tonnen Mehl am Tag. Normalerweise wird in zwei Schichten gearbeitet. Vor dem Weihnachtsgeschäft im Herbst sind es auch schon mal drei Schichten.

So probierten die erzgebirgischen Müller es mit Bio, was sich anfangs jedoch als schwierig herausstellte. Denn es gab in Sachsen noch keine Bioläden und auch die Bäcker hatten keine Erfahrung mit Bioprodukten. "Am schwierigsten war es, die Bäckersfrauen zu überzeugen, die in der Bäckerei hinter der Theke standen", erinnert sich Rolle. So entstand der Netzwerkgedanke bei der Rolle-Mühle. 

 

Es wurde ein Netzwerk an Bäckereien aufgebaut, aber auch an Landwirten, die Biogetreide liefern konnten. Die Rolle-Mühle bot Schulungen zu Biomehl und anderen Bioprodukten an. Zudem wurde die Produktpalette ausgebaut, sodass die Bäckereien auch Mandeln, Rosinen, Kakao oder Rum in Bioqualität ordern können. 2014 erweiterte die Mühle ihr Bio-Sortiment mit der Dachmarke "Landgemacht", an der sich auch andere sächsische Unternehmen mit Bioprodukten beteiligen. Die Rolle-Mühle ist nach der Bioverordnung der Europäischen Union und den Richtlinien der Anbauverbände Bioland, Demeter, Gäa und Naturland zertifiziert.

Für das Geschäft mit den Endverbrauchern ist Tochter Anne Rolle-Baldauf zuständig. Die Rolle-Mühle beliefert Bioläden und den regionalen Einzelhandel, ist aber auch bei den großen Supermarktketten wie Rewe, Kaufland, Globus oder der Biokette Denns gelistet. "Backen zu Hause liegt im Trend, das hat sich in der Pandemie noch verstärkt", sagt die 40-jährige Ernährungsökonomin. Die große Nachfrage im eigenen Hofladen hat sogar dazu geführt, dass die Rolle-Mühle ihr Mehl in Zehn-Kilo-Gebinden für private Kunden anbietet. Auch der eigene Internetshop sorgt in der Coronapandemie für einen steigenden Absatz.

Mühlen-Chef Thomas Rolle, der sich im Verband Evangelischer Unternehmer engagiert, ist neben der Verantwortung für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch etwas anderes wichtig. "Das Bewahren der Schöpfung ist auch unser Thema", versichert der 66-Jährige. So setzt die Mühle bei der Energiegewinnung auf Wasserkraft und Solarenergie. Das 1990 an der Zschopau errichtete Wasserkraftwerk reicht aus, um den Energiebedarf zu decken. "Unser CO2-Fußabdruck ist null", sagt Rolle. Rund 2000 Tonnen Kohlendioxid werden jedes Jahr vermieden. Im Jahr 2011 wurde das kleine Wasserkraftwerk um eine Fischaufstiegsanlage erweitert. Die Fischtreppe ermöglicht es den Flussbewohnern, das Wehr zu überwinden und zu den Laichplätzen zu gelangen.

Der Einsatz für die Umwelt endet aber nicht bei der Energie und Bioprodukten. Vor mehr als einem Jahrzehnt hatte die Rolle-Mühle zusammen mit Forschern der TU Chemnitz ein Verpackungsmaterial entwickelt, das zu 85 Prozent aus Kleie, den Schalen der Getreidekörner, besteht. Doch als der Erdölpreis sank, konnte das neue Material wirtschaftlich nicht mit Styropor konkurrieren. "Doch wir haben das in der Schublade, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern", sagt Thomas Rolle, der das Verfahren hat patentieren lassen.

Derzeit steht eine Kooperation mit der Hochschule Zittau im Mittelpunkt. Ziel ist es, zum Backen benötigte Alpha-Amylase in Bioqualität herzustellen. Amylasen sind Enzyme, um Stärke in Zucker umzubauen, damit die Hefe den Gärprozess in Gang setzen kann. Die Alpha-Amylase wird heutzutage gentechnisch hergestellt. "In Bio-Qualität gibt es das weltweit noch nicht. Aber wir sind auf der Zielgeraden", freut sich der Mühlen-Chef auf die Innovation. 

Der Wirtschaftspreis "Sachsens Unternehmer des Jahres" und der Gründerpreis "Sachsen gründet - Start-up 2022" sind eine Initiative von "Sächsische Zeitung", "Freie Presse", "Leipziger Volkszeitung" und dem MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG, der Landesbank Baden-Württemberg und der Gesundheitskasse AOK.

erschienen am 16.01.2022 in der „Freien Presse“,
Autor: Christoph Ulrich