Soll man Landeskirchen zusammenlegen?

Kirche & Organisation

20 evangelische Landeskirchen gibt es in Deutschland. Braucht es noch so viele Gliedkirchen? Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses der EKD-Synode, Superintendent Christian Weyer, fordert, darüber nachzudenken, Landeskirchen angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen zusammenzulegen.

 

Pro

Ja, die Zahl heutiger Landeskirchen muss weiter reduziert werden.

Zielsetzung ist die Bündelung vorhandener und neu zu erlangender Kompetenzen in wesentlichen Leistungsbereichen: der weiteren Digitalisierung, der Nutzung künstlicher Intelligenz, der damit zu verstärkenden Bindung und Gewinnung von Mitgliedern sowie übergreifend der Verbesserung der Leistungsfähigkeit unserer Kirche.
Mögliche Kostenreduzierungen sind als Ziel sekundär, aber ebenfalls aufgrund der zukünftigen Finanzsituation sinnvoll. Hebel sind hier: Synergien nutzen, Doppelarbeiten vermeiden sowie Größenvorteile ausspielen.

Die jedem Fusionsprozess vorausgehende Analyse zukünftig erforderlicher Leistungsangebote dürfte das erforderliche breite dezentrale Netzwerk bestätigen. Die Mitarbeiter vor Ort tragen unsere Kirche in den parochialen und nicht-parochialen Gemeinden, bei der christlichen Bildung, der Kirchenmusik etc. Deren Führung erfordert auch in der Zukunft – unabhängig von der Anzahl der Landeskirchen – eine angemessene Zahl von Dekanen, Superintendenten, Regionalbischöfen, Bischöfen.

Das vielfach gegen weitere Fusionen angeführte Ziel eines Erhalts unterschiedlicher heutiger Identitäten und Konfessionalitäten der derzeit vorhandenen Landeskirchen erscheint eher binnenorientiert („funktionärsorientiert“) denn mit Blick auf die Mitglieder relevant. Selbst die Angehörigen der kleinen Mitgliedergruppe, die derzeit intensiver an kirchlichen Angeboten
teilnimmt (4 bis 6 % der Mitglieder), ist zu einer entsprechenden Verortung ihrer jeweiligen Landeskirche kaum in der Lage.

(Der Autor, Peter F. Barrenstein (München), ist Vorsitzender des Kuratoriums des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer. Er war Mitglied des Projektteams zum Reformprojekt „Kirche der Freiheit“.)

Kontra

Man kennt das aus dem Wirtschaftsleben und dem Werkzeugkasten großer Industrieunternehmen: „Größer denken! Fusionen helfen, Handlungsfähigkeit zu sichern!“ Diese vermeintliche Logik hat auch in die Gemeinschaft der Evangelischen Kirche in Deutschland Einzug gehalten. Landeskirchen unter der Größe von 1 Million Mitglieder sind nicht mehr sinnvoll, so hört man. Was verspricht man sich? Synergieeffekte, Abbau von Doppelstrukturen und eine bessere Handlungsfähigkeit.

So denken und sprechen bestimmt sehr kluge Menschen, die von oben auf Landeskirchen, Kirchenkreise und Kirchengemeinden schauen. Dabei ist bekannt: Das Geheimnis einer prägenden Gemeinde und Kirche sind die Vertrautheit, überschaubare, beinahe familiäre Strukturen, in die die Getauften das eigene persönliche Engagement gut eintragen können. 

Eine kleine Landeskirche wie die in Schaumburg-Lippe, die auch unter Mitgliederverlust leidet, denkt selbst regelmäßig über ihre Handlungsfähigkeit nach, ihre Möglichkeiten, Menschen besser zu binden als bisher. Die heute Verantwortlichen wollen diese Kirche nach besten Kräften bewahren, pflegen und weiterentwickeln. Die Landeskirche Schaumburg-
Lippe entwickelt ihre Bindekraft durch regelmäßige Kontakte in der Region. Sie zahlt im Übrigen ein in den Solidarfonds der EKD, sie nimmt nicht.

Handlungsempfehlungen aus dem Werkzeugkasten von Großindustrie und Banken können nicht der einzige Maßstab sein, an dem sich die Kirchen ausrichten. Die Menschen zu binden und zu gewinnen, Lust auf aktive Mitarbeit in der Kirche zu wecken und in den kirchlichen Berufsgruppen Personen zu finden, gerne und inspiriert mitzutun, daran wird sich die Zukunftsfrage der Landeskirche Schaumburg-Lippe innerhalb der EKD wohl eher ausrichten müssen.

(Der Autor, Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg), ist Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe.)