Die Hoffnungs-Mühle

Wirtschaft

Wirtschaft und Corona: Der Lockdown hat viele Firmen schwer getroffen. Zwei evangelische Unternehmer in Sachsen können aber auch von positiven Entwicklungen berichten.

Corona hat der Rolle-Mühle im erzgebirgischen Waldkirchen einen Wachstumsschub beschert. So sagt es Geschäftsführer Thomas Rolle zwar nicht, aber er verheimlicht auch nicht, dass die Nachfrage nach den Mühlenprodukten vor einem Jahr sprunghaft gestiegen ist. »Die Kunden haben gehamstert, aber auch zuhause viel mehr selbst gekocht und gebacken und unseren Online-Shop leergekauft. Den mussten wir sogar vorübergehend dichtmachen«, blickt der Bio-Müller zurück.

Die Bio-Mühle aber lief nun auf Hochtouren. Die 25 Mitarbeiter hätten zum Teil ihre Arbeitszeit erhöht und zudem seien noch drei, vier Aushilfskräfte eingestellt worden, sagt der evangelische Unternehmer. Gerade bei den kleinen Packungen, also für den Endverbraucher, habe sich die Produktion fast verdoppelt. Auch für Großabnehmer wie Teigwarenhersteller sei die Nachfrage gestiegen. »Wir waren körperlich und technisch am Limit«, so der Chef. »Wir haben gekämpft, um die Versorgung zu sichern. Die Mitarbeiter sind froh, systemrelevant mitzuarbeiten. Das macht uns auch stolz.«

Thomas Rolle lernte zugleich das andere Limit kennen, das durch den Lockdown gesetzt wurde: »Wir haben auch Kunden aus der Gastronomie. Denen geht es richtig schlecht, da hängen Familienschicksale dran«, weiß der Christ, der im Vorstand seiner Kirchgemeinde und seines Kirchenbezirks mitgearbeitet hat. Auch im Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer (AEU) ist der Müller schon viele Jahre engagiert, arbeitet im sächsischen Leitungskreis mit. Erfahrungsaustausch, persönliche Kontakte und geistliche Zurüstung seien für ihn dabei wichtig. Mit seinem AEU-Kollegen Olaf Seidel, Rechtsanwalt in Dresden, ist er sich einig, dass der Gesundheitsschutz nicht länger absoluten Vorrang habe. »Der Mensch besteht nicht nur aus Gesundheit«, sagt Olaf Seidel, der 2004 als Insolvenzverwalter des Müttergenesungswerkes in der Landeskirche zum AEU gefunden habe. 

Es müssten endlich Konzepte für Öffnungen her, fordert er. »Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben.« In diesem Sinne meldeten sich vor wenigen Tagen auch sieben Wirtschaftsverbände aus Sachsen öffentlich zu Wort und beklagten politische Mutlosigkeit.

Seit 16 Monaten ist Rechtsanwalt Olaf Seidel als Insolvenzverwalter für die Eisenhütte in Ortrand tätig, direkt an der brandenburgisch-sächsischen Grenze. Corona habe die ohnehin schwierige Arbeit nicht leichter gemacht – im Gegenteil: Drei Wochen konnte in der Eisenhütte kein Eisen gegossen werden, berichtet Olaf Seidel. »Infektionsschutz steht nicht über allem«, möchte der Rechtsanwalt mit dem Corona-Dogma aus dem Gesundheitsamt brechen. Viele Menschen hätten jetzt pure Existenzängste.

»Die Möglichkeiten vieler sind gerade sehr begrenzt«, sagt der Insolvenzverwalter. Das erzeuge ein Ohnmachtsgefühl. Trotzdem sei er optimistisch, was die Zukunft der 280 Arbeitsplätze in seiner Eisenhütte betreffe. Auch insgesamt sei die wirtschaftliche Situation erstaunlich stabil. So habe es im vergangenen Jahr statistisch die niedrigste Insolvenzquote nach dem Krieg gegeben. Durch die staatlichen Hilfen sei aber vieles nur auf die kommenden Jahre verschoben worden, meint der Rechtsanwalt. »Ich erwarte, dass für viele Unternehmer noch eine harte Zeit bevorsteht.«

Wirtschaftliches Scheitern dürfe aber nicht als persönliches Scheitern gesehen werden, warnt Olaf Seidel. Einerseits sei Corona ein außergewöhnlicher Umstand, andererseits gehöre das Risiko zu scheitern leider zum Unternehmerleben dazu. »Scheitern ist nicht Gottes Wille«, sagt der Bio-Müller Thomas Rolle. »Gottes Gnade ist mir dennoch sicher.« In der Rolle-Mühle stehen die Zeichen aber auf Wachstum. So wurde im vergangenen Jahr die Mühlentechnik modernisiert und im Besprechungsraum hat wegen Corona digitale Kommunikationstechnik Einzug gehalten. »Wachstum ist biblisch«, meinen Thomas Rolle und Olaf Seidel. »Wachstum ist Entwicklung. Und dabei geht es nicht immer um Quantität, sondern auch um Qualität.«

In: DER SONNTAG - Wochenzeitung für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens. Veröffentlicht in Ausgabe 16 vom 18. April 2021.
Autor: Uwe Naumann