Welche wirtschaftlichen Folgen kommen durch die Corona-Krise auf uns zu? idea-Redakteur David Wengenroth hat mit christlichen Wirtschafts- und Finanzexperten über die aktuelle Situation gesprochen – und darüber, wie Christen damit umgehen können.
Die große Ungewissheit
Allein diese Zahl: acht Trillionen! Mit 12 Nullen: 8.000.000.000.000 US-Dollar (entspricht rund 7,3 Trillionen Euro). So hoch ist die Gesamtsumme der Finanzhilfen für die Wirtschaft, die bisher weltweit von Regierungen angekündigt worden sind. Diese unvorstellbar große Menge Geld soll verhindern, dass auf die Corona- Krise eine jahrelange schwere Wirtschaftskrise folgt. „Viele Experten sind der Meinung, dass das nicht ausreichen wird“, sagt der Partner der Finanzberatung MehrWert in Nürnberg, Sebastian Mann. Der überzeugte Christ ist Mitbegründer des Internetportals „Bibel-Finanz“.
Deutschland spannt einen der größten Rettungsschirme
Einen der größten Rettungsschirme weltweit spannt Deutschland auf. Der Staat hat Hilfskredite und Bürgschaften von bis zu 500 Milliarden Euro für in Not geratene Unternehmen und Selbstständige zugesagt. Andere staatliche Hilfen wurden sofort nach dem Ausbruch der Krise auf den Weg gebracht. Zum Beispiel die Lockerung der Regeln für das Kurzarbeitergeld, durch das die Unternehmen den Lohn von Arbeitnehmern einsparen können, für die sie wegen der Krise keine Arbeit haben. Bereits Anfang April rechnete die „Süddeutsche Zeitung“ aus, dass sich die von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen veranschlagten Hilfspakete und Ausgleichszahlungen auf 1.173 Milliarden Euro summierten. Tendenz steigend: Auch das geplante 750-Milliarden-Euro-Aufbauprogramm der Europäischen Union wird Deutschland zu einem großen Teil mitbezahlen.
Mit Anfragen überschwemmt Welche Folgen hat das langfristig für die Staatsverschuldung?
„Das kann im Moment niemand beantworten“, sagt Mann. Die Wirtschaftspolitiker „fahren auf Sicht“, erklärt der Finanzexperte. Wie viele andere Staaten versucht auch Deutschland in einer großen Kraftanstrengung, den Zusammenbruch der Volkswirtschaft zu verhindern. Dabei ist nicht jede Hilfsmaßnahme gut durchdacht, berichtet der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU), Friedhelm Wachs (Leipzig). „Es ist offensichtlich, dass in einer Vielzahl von Förderprogrammen für Kleinstunternehmen die Zahl der Antragsteller vollständig unterschätzt wurde.“ So hatte die Bundesregierung beschlossen, Unternehmen jeweils 4.000 Euro für die Nutzung von Beratungsdienstleistungen zur Verfügung zu stellen. „Dabei hat man im Bundeshaushalt Mittel für 3.750 Unternehmen bereitgestellt, aber schon jetzt sind über 33.000 Anträge eingegangen“, berichtet Wachs. Wie wichtig die Staatshilfen für viele Unternehmen sind, beobachtet der Chef der Abteilung „Fördermittel“ der Deutschen Bank, Marcus Thiel. Der engagierte evangelische Christ und seine Mitarbeiter bearbeiten die Genehmigung der Hilfskredite, die ihre Bank im Auftrag der staatlichen Förderbank „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) vergibt. Die Möglichkeit, bei finanziellen Engpässen einen Hilfskredit zu beantragen, gibt es seit vielen Jahren, aber bisher interessierte sich kaum ein Unternehmen dafür, berichtet Thiel. Als die Corona-Krise ausbrach, wurde seine Abteilung mit Anfragen regelrecht überschwemmt.
Jedes Unternehmen ist betroffen
„Jedes Unternehmen ist in irgendeiner Weise betroffen“, sagt der Banker. Manche traf es unmittelbar, zum Beispiel Restaurants, Hotels und Friseursalons, die von heute auf morgen schließen mussten. Oder Reisebüros und Fluggesellschaften, die wegen der Reisebeschränkungen keine Kunden mehr hatten. In anderen Branchen zeigen sich die Auswirkungen der Pandemie nach und nach, etwa bei den vielen Firmen, die vom Export leben. Einige von ihnen wird es zum Beispiel hart treffen, wenn die US-Wirtschaft infolge der Corona- Pandemie einbricht – und darauf deutet vieles hin. Bei der Deutschen Bank meldeten sich schon im März über 10.000 besorgte Firmenkunden, um sich über die Hilfskredite zu informieren. „Da war vom selbstständigen Bäcker bis zum weltweit operierenden Großkonzern alles dabei“, berichtet Thiel.
Bisher nur wenig Geld wirklich abgerufen
Vor der Corona-Krise gab es in der Bank 22 Spezialisten, die sich mit dem Thema Hilfskredite auskannten. Um den Ansturm der Unternehmen zu bewältigen, wurden im März auf die Schnelle 3.000 Mitarbeiter auf diesem Gebiet nachgeschult. Tausende Firmenkunden stellten schließlich einen Fördermittelantrag. Wenn alle Kredite bewilligt werden, liegt das Gesamtvolumen bei mehreren Milliarden Euro. Allerdings handele es sich dabei erst einmal um Zusagen, erklärt Thiel. Die Unternehmen können das Geld innerhalb eines Jahres abrufen, wenn sie einen finanziellen Engpass haben. In vielen Fällen sei der Kredit aber auch vorsorglich beantragt worden. „Bisher sind nur wenige Gelder wirklich abgerufen worden“, berichtet Thiel. Das ist ein gutes Zeichen: Vor dem Ausbruch der Krise waren viele Unternehmen finanziell gesund. Sie haben eine Chance, die Corona-Zeit auch ohne staatliche Hilfe zu überstehen. Aber es gibt auch viele Firmen, die bereits Insolvenz angemeldet haben oder kurz davor stehen.
„Die Lage in den Unternehmen ist sehr unterschiedlich“, berichtet Wachs. Ob und wie gut sie durch die Krise kommen, hängt von Entwicklungen ab, die noch völlig ungewiss sind. Die Lockerungen seien zwar ein wichtiger Schritt, etwa für Handelsunternehmen. Aber viele von ihnen stellten fest, dass ihre Umsätze weit niedriger seien als in der Zeit vor der Krise. Wie schnell sich die Wirtschaft insgesamt wieder erholen werde, sei noch völlig unklar, meint Thiel. „Wir sind zunächst davon ausgegangen, dass es bis Ende des Jahres immer mehr Lockerungen gibt und dass die Geschäfte 2021 wieder normal laufen“, erklärt der Banker. Aber je länger die Einschränkungen gelten, desto trüber werde die Stimmung in der Wirtschaft. „Wie schnell wir wieder zur Normalität zurückkehren können, weiß niemand.“
In der Krise Salz und Licht sein
Die große Ungewissheit macht nicht nur Firmenchefs zu schaffen, sagt Finanzberater Mann. Viele Menschen machten sich Gedanken darüber, wie sie ihr Erspartes in Sicherheit bringen könnten. Dafür kursierten viele Tipps, etwa der Kauf von Staatsanleihen, Gold oder Immobilien. Risiken gebe es aber auch bei diesen Anlageformen. Die besten Grundsätze für Investitionen in Krisenzeiten finde man in der Bibel. So heiße es in Prediger 11,2: „Verteil dein Vermögen auf sieben oder sogar acht, denn du weißt nicht, welches Unglück über die Erde hereinbrechen wird.“ Noch wichtiger sei, sich auch in der Krise bei Investitionsentscheidungen nicht von Angst und Gier leiten zu lassen. „Wir haben von Gott in Matthäus 6,31–34 die Zusage, dass er uns alles gibt, was wir brauchen, wenn wir vor allem nach seinem Reich streben“, sagt Mann. „Deshalb sollten wir gerade in dieser Situation mit unserem Überfluss großzügig anderen Menschen helfen, die in Not sind. Dann können wir die Krise nutzen, um Salz und Licht für die Welt zu sein.“