Die digitale Revolution gestalten - eine evangelische Perspektive

Digitalisierung & KI

 

Als Anstoß und Grundlage für einen breiten Diskurs über die sich aus der digitalen Revolution ergebenden Fragen in evangelischer Perspektive hat der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer im Januar 2018 den Impulstext "Die digitale Revolution gestalten - eine evangelische Perspektive" veröffentlicht. Dieser Impuls versteht sich nicht als ein abgeschlossener Text im Sinne eines 

Manifests, sondern soll im Lichte der dynamischen Veränderungen und neuer Erkenntnisse fortgeschrieben werden (können). Der Impuls will zur Auseinandersetzung und ethischen Reflexion mit den vielfältigen Aspekten der digitalen Revolution anregen. Auf der Grundlage des Dreiklangs "sehen - urteilen - handeln" lädt der Impuls dazu ein, Lebenssachverhalte zu beschreiben und relevante Fragen zu formulieren und durch die inhaltliche Auseinandersetzung eine fundierte Haltung zum (Veränderungs-)Prozeß der Digitalisierung zu entwickeln.

Die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungsprozesse sind von radikaler - oft als "disruptiv" bezeichneter - Gestalt und werden unser gesamtes gesellschaftliches Miteinander in bisher ungekanntem Maße revolutionieren. Diese umfassenden Veränderungsprozesse verpflichten uns als unternehmerisch tätige evangelische Christen zur Gestaltung.

  • Globalität: Die Digitalisierung ist ein globaler Prozess, der von unterschiedlichen Kulturen und Religionen ethisch bestimmt wird. Die mit der Digitalisierung einhergehende zunehmende Geschwindigkeit von Prozessen kann zu regionalen Verwerfungen in Gesellschaften und Kulturen führen. Der zu führende globale Diskurs bedarf deshalb eines entschiedenen Eintretens für eine vom christlichen Menschenbild geprägte digitale Ethik.
  • Künstliche Intelligenz: Die Digitalisierung sollte nicht ohne ihre logische Konsequenz, die Künstliche Intelligenz, betrachtet werden. Gerade sie wirft weitgreifende ethische Fragen auf, beispielsweise zur Rolle des Menschen als autonomes Wesen oder als handelndes und sozial interagierendes Subjekt.
  • Individualität: Digitalisierung gibt Individuen die Möglichkeit, ihre individuellen Präferenzen zu artikulieren, und Unternehmen die Möglichkeit, aufgrund dieser Präferenzen Angebote individualisiert zu formen. – Dies gilt auch für die Kirche.
  • Netzwerke statt Hierarchien: Die Digitalisierung verändert lineare und hierarchische Strukturen zugunsten von Netzwerken, was zu einer steigenden Komplexität beiträgt.
  • Wettbewerbsverzerrung verhindern: Die digitale Revolution wirft grundlegende ordnungspolitische Fragestellungen auf.
  • Bildung: Die Digitalisierung und ihre Geschwindigkeit zwingt Unternehmen und Individuen zu permanenter Bildung und lebenslangem Lernen, um die dynamische Veränderung gestalten zu können.
  • Gestaltung und Bewahrung: Das Christentum ist auf Gestaltung und Bewahrung ausgerichtet und erlaubt dem zur Freiheit berufenen Christen mit Zuversicht und in Verantwortung vor Gott an diesem Änderungsprozess teilzuhaben.
  • Fragen an Theologie und Kirche: Insbesondere die durch die Digitalisierung aufgeworfenen ethischen Fragen bedürfen einer theologischen Diskussion und Antworten durch die Kirche.

Deshalb ist ein umfassender, ethisch fundierter gesellschaftlicher Diskurs notwendig. Der Arbeitskreis Evangelischer Unternehmer fordert die Evangelische Kirche auf, sich mit der Energie, die sie für die Kommunikation des 500. Reformationsjubiläums in der Reformationsdekade aufgebracht hat, der aktiven Gestaltung der digitalen Revolution zu widmen.

  • Was bedeutet Freiheit im Angesicht der Datafizierung unserer Gesellschaft?
  • Hat die gesellschaftliche Höherbewertung von Daten, Informationen und Wissen Wirkungen auf das Verständnis von Glaube und Vernunft?
  • Ist die digitale Sphäre Teil der Schöpfung?
  • Wie verändern sich durch Vernetzung die Grenzen bzw. die Reichweite von Gemeinde und Kirche als Gruppe bzw. Organisation? Was bedeutet in diesem Zusammenhang der ekklesiologische Satz: "Es wird auch gelehrt, daß alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden." (CA7) Sind die Sakramente in ihrer Leibhaftigkeit der Gegenpol in der Debatte über die Digitalisierung?
  • Wie ordnet sich der neue Daten-Platonismus (einschließlich der Rede vom "digitalen Ich") in die lange Tradition der wandelbaren Menschenbilder ein bzw. welchen Bezug haben die paulinischen Grundbegriffe von Fleisch, Leib und Geist zu den Phänomenen der digitalen Kommunikation?
  • Welchen Wert und welche Gültigkeit hat ein Segen für den Empfangenden, wenn nicht unterschieden werden kann, ob er von einem Menschen oder einem Chatbot gespendet wurde?
  • Digitalisierung mündet letztlich in Künstliche Intelligenz. Sind autonome selbstlernende Systeme Subjekt von Schuld und Vergebung?
  • Wie positionieren wir uns zu den Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz?

 

  • Inwiefern verändert oder erweitert sich unser Verantwortungsrahmen durch den globalen Wettbewerb?
  • Wie übertragen wir eine christlich-jüdisch geprägte Ethik in den globalen Kontext der Digitalisierung?
  • Wie begegnen wir als Evangelische Kirche dem kybernetischen Menschenbild, das in Politik und Wirtschaft zunehmend bedeutsam wird?
  • Wie verstehen wir sozialen Ausgleich in Zeiten globalen Wettbewerbs?
  • Digital Literacy muss mehr sein als "Programmieren für jeden". Was verstehen wir unter Bildung und Gebildetsein im (kognitiven) digitalen Zeitalter?
  • Mit autonomen Systemen kommen neue (vermeintliche) Entscheidungsträger hinzu. Inwieweit ist dies ein neuer Anlass für die alte Versuchung, Verantwortung abzuschieben? (vgl. 1. Buch Mose: Soll ich meines Algorithmus' Hüter sein?)
  • Verantwortung und Haftung sind nicht dasselbe: Eltern haften für Ihre Kinder (obwohl diese eigenständige menschliche Wesen sind) und übernehmen Mit-Verantwortung für ihre Entwicklung. Inwiefern können diese etablierten Bilder Leitlinien für die Verantwortungsübernahme bei autonomen Systemen sein?
  • Wie erfüllen wir als Evangelische Kirche im digitalen Zeitalter unsere Aufgabe?
  • Wie erreichen wir als Evangelische Kirche im digitalen Zeitalter unsere Mitglieder?
  • Wie müssen wir als Evangelische Kirche unsere Angebote, etwa Gottesdienste und Seelsorge, anpassen, um sie unseren Mitgliedern dienlich zu machen?
  • Wie können wir als Evangelische Kirche die Möglichkeiten der digitalen Vernetzung und der digitalen Kommunikation nutzen, um bisher unerreichte Menschen zu erreichen?
  • Welche neuen Formen von Gemeinschaft entstehen durch den digitalen Wandel und die einhergehende Vernetzung und wie können wir als Evangelische Kirche durch unsere Angebote dieser Veränderung Rechnung tragen?
  • Wie müssen wir als Evangelische Kirche unsere Organisation, unsere Strukturen und unsere Kommunikation an die Anforderungen des digitalen Zeitalters anpassen?
  • Wie können wir als Evangelische Kirche die uns kennzeichnende Sensibilität für das Individuelle in sich verändernde soziale Prozessstrukturen einbringen?
  • Wie finden wir als Evangelische Kirche eine Balance zwischen dem Bewahren dessen, was ist, und dem Gestalten dessen, was kommt? 
  • Wie können wir als Evangelische Kirche im digitalen Zeitalter unsere Verantwortung wahrnehmen, aktiv das gesellschaftliche Miteinander nach unseren sozialethischen Maximen mitzugestalten?
  • Welche Rolle kann Künstliche Intelligenz in der Seelsorge spielen?
  • Wie können wir als Evangelische Kirche den Menschen die Angst vor Veränderungen nehmen und ein optimistisches Zukunftsbild vermitteln?
  •  Wie begleiten wir als Evangelische Kirche den gesellschaftlichen Kulturwandel hin zu wachsender individueller Eigenverantwortung?
  •  Wie können wir als Evangelische Kirche mitwirken, dass die Potentiale des digitalen Wandels zu mehr Teilhabe und gesellschaftlicher Inklusion anstatt zu Spaltung und Polarisierung führen?
  •  Wie organisieren wir als Evangelische Kirche unsere Bildungsarbeit mit Blick auf die steigende Notwendigkeit in der Vermittlung digitaler Kompetenzen?
  •  Wie tragen wir als Evangelische Kirche dafür Sorge, dass diejenigen, die Nachteile durch die Veränderungen des digitalen Wandels erfahren, nicht auf der Strecke bleiben?
  • Welchen Beitrag können wir als Evangelische Kirche zur Digital Responsibility, etwa mit Blick auf Cyber Bullying, Netiquette oder Cyber Security, leisten?
  • Wie kann die Gesetzgebung an die schnelle Entwicklung der "Digitalisierung" angepasst werden? Ist ein Co-Design von Technik und Gesetzgebung möglich?
  • Wie selbstverständlich ist das Netz und sein Zugang in Deutschland und die Verbreitung von Inhalt international als allgemein zugängliche Infrastruktur anzusehen, wie es heute physische/analoge Verkehrswege sind?
  • Wie begegnen wir vollkommen veränderten Erwerbsbiografien?
  • Wie begegnen wir dem Wandel hin zu mehr selbstständiger Arbeit und weniger abhängiger Arbeit und einhergehenden Fragestellungen zur künftigen Finanzierung sozialer Sicherungssysteme?
  • Welche Folge hat es, dass der digitale Wandel die korporative Struktur unserer Wirtschaft infrage stellt?
  • Wie begegnen wir der zunehmenden Monopolisierung durch Plattformökonomien, die in Widerspruch zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft steht?
  • Wie schaffen wir für eine globale Digitalisierung einen supranationalen Regelungsrahmen im Angesicht von bestehenden nationalen und regionalen Rechtsrahmen?
  • Wie begegnen wir in Europa der Vorherrschaft aus den USA und China für den digitalen Raum? Arbeiten wir an einer globalen "Einhegung" (z. B. globales Wettbewerbsrecht) oder wollen wir diesem Duopol noch ein eigenes europäisch geprägtes Zentrum hinzufügen?