Bischof i. R. Wolfgang Huber: Pluralität ist keine Gefahr

Gesellschaft

Berlin/Karlsruhe (idea) – Der frühere EKD-Ratsvorsitzende, Bischof i. R. Wolfgang Huber (Berlin), hat dafür plädiert, Pluralität in Kirchen nicht als Gefahr oder Risiko anzusehen. Sie sei eine Bedingung, gemeinsam die besten Wege herauszufinden.

 

Huber äußerte sich bei einer Diskussion mit dem Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck. Sie fand im Rahmen der Online-Konferenz „Purpose 2020“ (Daseinssinn) des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU/Karlsruhe) am 11. Oktober statt.

Huber warnte vor einer bestimmten Kommunikationsform, die etwa der US-Präsident Donald Trump praktiziere. Er höre nicht auf andere, sondern texte sie nur zu. Er sehe, so Huber, das
Risiko, dass sich Menschen vermehrt ausschließlich in der eigenen Blase bewegten. Das verhindere einen Austausch und dann bildeten sich Grüppchen, die sich gegenseitig verstärkten. Das könne zu einem Fundamentalismus führen, den es in fast allen Religionen und Parteien gebe.

Jeder sollte sich fragen: Was kann ich von anderen Menschen lernen?
Diese „Engführung“ müsse überwunden werden, sagte Huber. Er ermutigte, Menschen, die andere Prioritäten hätten, als interessant wahrzunehmen, und sich zu fragen, was man von ihnen lernen könne. Parteien sollten, so Huber, niemals Klientelparteien werden. Alle hätten eine Verantwortung für das Gemeinwohl. Diese Verantwortung ende nicht am eigenen Gartenzaun.

Das Internet hat die Verbreitung von Niedertracht vervielfacht
Huber äußerte sich ferner zur Digitalisierung. Da gebe es viele positive Entwicklungen, etwa im Bereich der Bildung. Doch durch das Internet werde auch die Verbreitung von Niedertracht
vervielfacht. Es müsse auch dort klare Begrenzungen haben. Es könne nicht sein, dass Gewalt gefilmt, dann tagelang im Netz zu sehen sei und mit der Freiheit des Internets begründet werde: „Diese Art von Freiheit macht die Freiheit kaputt.“

Habeck: Jede Gruppe hat berechtigte Interessen
Der Grünen-Vorsitzende Habeck sagte, man müsse immer einräumen, dass jede Gruppe berechtigte Interessen habe. Als Beispiele nannte er die Bauern in Schleswig-Holstein.

Er habe in seiner Funktion als Landwirtschaftsminister (2012–2018) versucht, sich in deren Position hineinzudenken. Anfang sei die Situation angespannt gewesen, letztlich sei man dann zusammengekommen. Grundsätzlich sei Vielfalt anstrengend, aber eine Notwendigkeit dafür, die Wirklichkeit facettenreich zu begreifen.

Habeck: Die Grünen sind eine „Bündnispartei“
Seine Partei sehe er, so Habeck, als „Bündnispartei“. Man müsse mit Menschen, die teilweise andere Meinungen hätten als man selbst, für gemeinsame Werte streiten. In irgendeiner Form müsse man eine politische Kultur etablieren, „wo Kirchen, Unternehmer, Umweltprotestbewegung usw. jeweils für bestimmte Ziele zusammenarbeiten“. Es seien Bündnisse auf Zeit und für bestimmte Themen.

Droht der „Öko-Partei“ die Spaltung?
Ferner reagierte Habeck auf die im Deutschlandfunk geäußerte These, dass der „Öko-Partei die Spaltung droht“. In dem Beitrag hieß es unter anderem: „Denn während die kompromisslose Umweltschutzszene wächst, gelingt es den etablierten Grünen-Funktionären immer weniger, diese einzubinden, von Amts wegen, könnte man sagen. Die Schickeria
entfremdet sich.“

Darauf entgegnete Habeck, dass es von Anfang an in seiner Partei diese Art von Debatten gegeben habe, etwa wenn es um die Auslandseinsätze der Bundeswehr ging. Er selbst sehe
das nicht als Problem oder als Scheitern, sondern als Chance. Vor diesem Hintergrund könne er dem Beitrag „in letzter Konsequenz“ nichts abgewinnen.

Gegen den Begriff Ideologie: Damit ist jede Debatte beendet
Wie er sagte, hat die Marktwirtschaft erstaunliche Fortschritte gebracht. Die Lebenserwartung etwa sei so hoch wie nie und es gebe eine Lebensmittelversorgung wie nie zuvor. Da die
Marktwirtschaft Regeln folge, müssten diese hin und wieder an neue Situationen angepasst werden. Heute gebe es etwa ökologische Herausforderungen, die bedacht werden müssten. Ziel sei es, die Marktwirtschaft mit Regeln so zu verändern, dass sie dem gesellschaftlichen Nutzen diene.

Auf die Frage eines Teilnehmers an der Online-Konferenz, wie ein ergebnisoffener Dialog etwa bei den Themen Kohlendioxid-Speicherung und Autobahnbau entstehen könne und ob man da nicht erst einmal „ideologiefrei diskutieren“ müsse, antwortete Habeck, dass man mit dem Wort Ideologie jeder Debatte den Garaus mache. Es gehe stattdessen darum, über verschiedene Werte zu diskutieren und diese zueinander in Beziehung zu setzen. Zentral seien da „liberale Aushandlungsprozesse“ in der Gesellschaft.